Im
Jahr 2010 wurden laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale NRW rund
120.000 Stromsperren landesweit vollzogen. Das heißt, dass die
Betroffenen den Alltag ohne Elektroherd, Kühlschrank, Licht und warmes
Wasser bestreiten müssen. „Das Thema Energiearmut wird immer wichtiger.
Vollständige Energiesperren bei Zahlungsstörungen sind sozial
inakzeptabel. Gebühren für Zahlungserinnerungen und für die
Wiederherstellung der Energiezufuhr führt viele Verbraucherinnen und
Verbraucher immer tiefer in die Schuldenspirale“, sagte Udo Paschedag,
Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium NRW, heute (28. März) bei
einer Tagung zu Energiearmut in Düsseldorf. Auf einer Fachtagung der
EnergieAgentur.NRW, des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen,
Wohnen und Verkehr sowie des Verbraucherschutzministeriums, wurden
Ansätze zur Vermeidung von Energiesperren vorgestellt.
Mit der
jährlichen Abrechnung kommt meist für einkommensschwache Familien das
böse Erwachen, wenn hohe Nachforderungszahlungen von mehreren hundert
Euro anfallen und die zukünftigen geforderten Abschläge den finanziellen
Handlungsspielraum übertreffen. Zwar haben Leistungsberechtigte nach
dem Sozialgesetzbuch Anspruch auf Übernahme angemessener Heizkosten und
auch die Versorgung mit Haushaltsstrom ist vom Regelbedarf umfasst. Doch
liegt zum Beispiel der durchschnittliche Stromverbrauch eines
Alleinstehenden bei zirka 35 Euro im Monat und damit bereits etwa vier
bis fünf Euro über dem im Regelbedarf vorgesehenen Anteil für
Haushaltsstrom. Wird dieser Beitrag für andere dringliche Bedarfe
verwendet, können schnell Stromschulden entstehen. Udo Paschedag: „Trotz
sozialrechtlicher Schutzvorschriften kommt es in der Praxis immer
wieder zu Problemen. Schriftliche Mahnungen bei Zahlungsrückstand oder
die Androhung einer Versorgungssperre werden von den Betroffenen oft
nicht verstanden oder gelesen. Auch die Möglichkeit der Übernahme von
Energieschulden in Form eines Darlehens durch Sozialamt oder Job-Center
sind den Berechtigten oftmals gar nicht bekannt und werden daher nicht
beantragt. Den Informationsfluss zwischen Energieversorgungsunternehmen,
den Trägern für Grundsicherung und dem Energieschuldner gilt es
deutlich zu verbessern.“
Deshalb startete das Ministerium für
Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr im Mai 2011 den
Gesprächskreis „Energiearmut – Umgang mit Energieschuldnern“. Er begann
mit dem MKULNV, der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und
Wasserverwendung (ASEW) im VKU, der VZ NRW sowie den Dortmunder und
Wuppertaler Stadtwerken. Nunmehr arbeiten eine Arbeitsloseninitiative,
die Uni Münster und eine Umwelt-Psychologin mit. Als weitere Stadtwerke
sind Aachen, Gelsenkirchen, Krefeld und Münster hinzugekommen.
Die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich des Problems Energiearmut mit
seinen verschiedenen Auswirkungen angenommen und streben eine
Vernetzung von Energieversorgungsunternehmen sowie weiteren Akteuren in
diesem Spannungsfeld an. Ein Schwerpunkt sind Best-Practice-Beispiele
zur Schuldner- und Energie-Beratung bzw. Prävention.
Interessante
Ansätze wie regionale Kooperationen zwischen Energieversorgern und
Verbraucher- und Schuldnerberatungsstellen zum Beispiel in Wuppertal
oder Krefeld sind Beispiele für gut funktionierende
Informationsnetzwerke. Insbesondere die Bündelung von
Existenzsicherungs-, Budget- und Energieberatung erscheint
erfolgversprechend, um Zahlungspläne über die Energieschulden zu
vereinbaren. Außerdem können durch Beratung Einsparpotenziale genutzt
und die weitere Energielieferung sichergestellt werden. Das Interesse
der Energieversorgungsunternehmen an den Modellprojekten ist hoch, da
für die Unternehmen Stromabschaltungen auch einen erheblichen
Mehraufwand im Forderungsmanagement bedeuten.
Mehr als 230
Expertinnen und Experten aus Energieunternehmen, Kommunen, Wohlfahrts-
und Verbraucherverbänden nutzten das Tagungsangebot, um
Lösungsstrategien zur Vermeidung von Energiesperren ergebnisorientiert
zu erörtern. Dabei ging es nicht nur um die Vorstellung bestehender
Informations- und Beratungsangebote, sondern auch um verlässliche
Clearing-Verfahren bei Energieschulden, die Möglichkeit kürzerer
Abrechnungsperioden bei Energielieferungsverträgen sowie die
Verpflichtungen zum Einsatz von Pre-Paid-Zählern (münzbetriebene
Automaten) anstelle völliger Absperrung der Stromzufuhr.
www.energieagentur.nrw.de